Maria von Peteani

Maria von Peteani & Johann Strauss

„Spurensuche im Walzertakt“

von Peter Rath

Es ist immer wieder erstaunlich, welche Fülle an ungehobenen Schätzen noch in den alten Jahrbüchern der Österreichischen Exlibrisgesellschaft verborgen liegen. Die Vorstellung einer neuen Exlibriskünstlerin im Jahrbuch Nr. 7/1909 und eine weitere Erwähnung in Nr. 9/1911 in der Rubrik „Allerlei neue Exlibris“ führten zu meinen bisher aufwendigsten Nachforschungen zum Thema Musikexlibris. 

1. Dieser Nachlass wurde in den Jahren 1964 und 1965, der Rest im Jahre 1971, von ihrer langjährigen Sekretärin und späteren Adoptivtochter, Else Barabas-Sauer (bereits verstorben), dem Archiv der Stadt Linz übergeben. In diesen Unterlagen waren nicht nur interessante Querverbindungen in der österreichischen Kultur und Musikszene zu finden, sondern auch bisher unbekannte Dokumente und Briefe, die hier das erste Mal publiziert werden.

Die Künstlerin Maria von Peteani, als Schriftstellerin in Oberösterreich wohlbekannt, überrascht uns mit drei von ihr geschaffenen Exlibris: Im Jahre 1909 mit einem Blatt für „Josef Simon“ und im Jahre 1911 mit den Blättern für „Alice Epstein“ und für „Frau Johann Strauss“. Laut Text im Jahrbuch 1911 „bildet das Exlibris für Frau Johann Strauss eine Huldigung für ihren verewigten Gemahl, den unvergesslichen Walzerkönig. Es ist eine Allegorie von Musik, Tanz, Lebensfreude, und deutet gleichzeitig auf die ‚Fledermaus‘, die unsterbliche Operette, hin. Wir freuen uns, diese beiden, aus einer unserer ersten Wiener Kunstanstalt hervorgegangenen Lichtdrucke vorführen zu können, und sind davon überzeugt, dass deren Publikation dazu beitragen wird, diese mit Unrecht vernachlässigte Vervielfältigungsart wieder zu popularisieren.“ Die Entdeckung des schriftlichen Nachlasses von Maria von Peteani im Archiv der Stadt Linz könnte als Basis für weitere Nachforschungen dienen.   

Maria von Peteani wurde als Tochter des Postrates Dr. Edmund Sauer am 2. Februar 1888 in Prag geboren. 1890 übersiedelte die Familie nach Linz. Sie besuchte die Volksschule und das Mädchenlyceum, lernte Englisch, Französisch und Italienisch. Sie nahm Zeichenunterricht bei Prof. Eduard Lorenz, Klavier- und Musikunterricht bei ihrem Vater. Im Jahre 1908 vermählte sie sich mit dem Opernsänger Eugen von Peteani, Reichsritter von Steinberg (1873-1913), Gutsbesitzer in Görz (nun Gorizia nahe Triest), der 1909 beim Zusammenbruch der Lenassi-Bank in Görz nahezu sein ganzes Vermögen verlor. 

Gastspiele des Tenors führten von der Wiener und Budapester Hofoper auch nach Stockholm und Mailand. Nach Stimmproblemen, und vor dem finanziellen Ruin stehend, eröffneten Maria und Eugen im Jahre 1912 eine Fremdenpension in seiner ererbten Villa in Görz. Das Schicksal beschloss es jedoch anders: Eugen starb schon 1913 an einem Gehimschlag. Körperlich und seelisch krank, kehrte Maria zu ihrer Mutter nach Linz zurück. Seither lebte sie freischaffend in Linz. In den Jahren 1910-1920 war Maria von Peteani als Zeichnerin tätig.

Sie schuf Titelblätter, Modezeichnungen und Exlibris. Ansichtskarten mit Damenmodeentwürfen erschienen bei Munk in Wien. 

Erst 1920 begann sie ihre schriftstellerische Laufbahn. Bekannt wurde sie vor allem durch 17 Romane, neun Hörspiele, lokale Artikelserien und eine große Anzahl Erzählungen und Feuilletons. Von 1926-1938 war sie ständige Feuilleton-Mitarbeiterin am neuen „Wiener Tagblatt“, beim „Getreuen Eckart“ und bei der „Deutschen Allgemeinen Zeitung“. 

Mit 1.10. 1940 wurde ihr mit einem Schreiben der Reichsschrifttumskammer „jede Betätigung als Schriftstellerin untersagt. Im Übertretungsfalle müssten die Strafbestimmungen des Reichskulturkammergesetzes gegen sie in Anwendung gebracht werden.“ 

Die Schriftstellerin war nicht in der Lage, einen kompletten Ariernachweis zu erbringen. Ihre Großeltern mütterlicherseits wurden, laut Auskunft der Matrikelverwaltung der israelitischen Religionsgemeinde in Wien, im böhmischen Horschitz (Horice) von Israel Goldschmied, Rabbiner aus Reichenau a. d. Knezna (Rychnow nad Kneznou) am 15. 7. 1851 getraut. 

In einer berührenden Antwort an die Reichsschrifttumskammer schreibt sie:

2."Landesarchiv Linz"

„Außer meinen schriftstellerischen Honoraren, habe ich nie ein anderes Einkommen bezogen, niemals Renten oder Unterstützung oder Pension empfangen. Wenn meine letzten Notgroschen aufgezehrt sein werden, was dann? (…) Lassen Sie mich wieder ein nützliches Mitglied der Gemeinschaft sein, lassen Sie mich Güte und Freude empfangen, um Güte und Freude neu aussenden zu können – geben Sie mir meine Arbeit wieder!“ 

Freunde und Bekannte von Maria kämpften für eine Ausnahmeregelung, nicht unüblich für diese Zeit, aber vergebens. Ein hochbetagter, noch lebender Schriftsteller-„Kollege“, der bei dieser Affäre eine etwas zweifelhafte Rolle spielte, kann sich heute nicht mehr erinnern … Maria starb am 28. Juli 1960 in Linz. An ihrem Wohn- und Sterbehaus in der Mozartstraße 26 wurde eine Gedenktafel angebracht.

Die Exlibriskünstlerin

Im Maria von Peteani’s Nachlass fanden sich Exlibris für Josef Simon, Richard Kola, Dora Abart und Alice Epstein. Das letztere war im „Jahrbuch 9/1911“ der Österreichischen Ex­librisgesellschaft „ÖEG“ abgebildet (ebenso das Exlibris für Frau Johann Strauss), das Josef Simon-Exlibris wurde im „Jahrbuch 7/1909“ der „ÖEG“ besprochen, jedoch nicht abgebildet.  Eine Verbindung zwischen dem Exlibris für Frau Johann Strauss (Abb. 1) und Alice Epsteins (Abb. 2) lässt sich leicht herstellen. 
Adele Strauss geb. Deutsch war die dritte Frau von Johann Strauss (Sohn) (Abb. 3). Wie ihre Vorgängerin unterzeichnete sie mit „Frau Johann Strauss“ und hatte den Namen Strauß durch ihren verstorbenen Gatten Anton Strauß in die Ehe mit Johann Strauss mitgebracht. Sie hatte zwei Schwestern Namens Helene und Luise, auf die später noch eingegangen wird. Alice Epstein geb. Strauß war ihre in die Ehe mit Johann Strauss mitgebrachte Tochter, die in ihrer zweiten Ehe mit Richard Epstein verheiratet war. Es lohnt sich, auf die abwechslungsreiche Lebensgeschichte von Alice Epstein einzugehen:  Geboren am 23. l. 1875 in Wien als Alice Elisabeth Katharina Maria Strauß, Kind des Anton Strauß (geb. am 6. 3. 1845 in Wien, gest. am 7.1.1877 in Wien) und der Adele Strauß, geb. Deutsch, (geb. am 1. 1. 1856 in Wien, gest. am 9. 2. 1930 in Wien). Alice heiratete am 27. 2. 1896 Wilhelm Franz Josef Marquis de Bayros, den bekannten Maler, Illustrator und Exlibriskünstler.
Bei der Hochzeitsfeier unterschrieben auf einer Tischkarte der Zeichner Theo Dr. Max Neuda, der Bildhauer Victor Tilgner und der Schriftsteller Ludwig Ganghofer, dessen Gedicht „Auf zum Tanz“ Strauss zu einer Schnell Polka inspiriert hatte.

Eine Kuriosität: auf dieser Tischkarte unterschrieb zum Spaß Brahms mit „Johann Strauss“ und Strauss mit „Johannes Brahms“! Brahms war Trauzeuge.



 
Bayros spezialisierte sich als Maler auf Damenporträts, in seinen Exlibris auf erotische Frauenfiguren. Seine Feder-, Tusche- und Bleistiftzeichnungen wurden vielfach als Heliogravüren reproduziert. Hauptsächlich wurde er durch seine Skandale und Prozesse auslösenden Illustrationen zu erotischer und pornographischer Literatur bekannt.           

Viele Ausgaben sind nur als Privatdrucke erhältlich. Ein für den Künstler typisches Exlibris soll hier nicht fehlen. Bayros hat freizügigere Blätter als jenes für Richard Strauss gezeichnet, es kann jedoch als Beispiel dienen, was man damals unter Pornographie verstanden hat (Abb. 4).   

7. Körner, W., I. und A. Scholz, Dies Bildnis ist bezaubernd schön, Berlin 1991.
8. Johann Strauss zum 150. Geburtstag, Ausstellung der Wiener Stadtbibibliothek 22.5. - 31.10.1975, Katalog von F. Racek, hrsg. Wiener Stadtbibl., Wien 1975

Ob Richard Strauss (nicht verwandt mit J. Strauss) das Exlibris bei Bayros bestellt hat, ist nicht bekannt.
Es ist auch nicht unüblich, dass ein Künstler einer bekannten oder berühmten Person ein Blatt widmet. Die Auflösung des Blattes stellt keine allzu große Schwierigkeit dar. Die nackte Salome hat die Silberschüssel an eine Wand gelehnt, wäh­rend ein Panther, das auf die Stufen fließende Blut, leckt. Das Notenornament über der Szene ist das Thema der Tötung des Täufers Jochanaan. Entstanden ist die Heliogravüre 1912.      Eine Gesamtausgabe des Werkes von Bayros, auch mit einer Deutung des vorher be­schriebenen Exlibris, wird voraussichtlich 1999 unter dem Titel „Glücklich ist, wer vergisst“ von dem Wiener Bayrosforscher Michael Gryksa erscheinen. Der Titel be­zieht sich auf das von Bayros gemalte Ölbild „Ein Abend bei Johann Strauss“, in das sich Franz von Bayros zwischen Johannes Brahms und Max Kalbeck selbst hineinge­malt hat. Nachdem er bei der Familie Strauss in Ungnade gefallen war, wurde sein Gesicht übermalt, auch eine Form der damnatio memoriae.    

9. Musica in Nummis, hrsg. v. K. Andorfer und R. Epstein, Wien 1907.

Zum zweiten Mal getraut wurde Alice am 2. 3. 1899 mit Richard Epstein (geb. 26. 1. 1869 in Wien, gest. 1. 8. 1919 in New York). Richard Epstein war – wie bereits sein Vater Julius – ein bekannter Pianist und Professor am Wiener Konservatorium. Richard Epstein war in Exlibriskreisen kein Unbekannter, hatte er doch mit dem bekannten Sammler und Mitbegründer der Österreichischen Exlibrisgesellschaft, Karl Andorfer, eine Arbeit über Münzen mit musikalischen Motiven verfasst.     Diese Bekanntschaft war vermutlich das Motiv für Alice Epstein, im Jahre 1911 der Österreichischen Exlibrisgesellschaft beizutreten (ÖEG JB. 9/1911). Berühmtester Schüler von Vater Epstein war Gustav Mahler. Er gehörte auch zum Freundeskreis von Johann Strauss und Johannes Brahms.

10. Mein herzlichster Dank gilt dem Doyen der Wiener Straussforschung, Herrn Prof. Dr. Eberhard Würzl, der mir immer wieder in selbstloser Art und Weise mit Rat und Unterlagen behilflich war
11. Emma Pollak war eine Cousine von Adele Strauss, und Alice Pollak (verehel. Gurschner) ihre Tochter, die als Schriftstellerin unter dem Pseudonym Paul Althof bekannt war - s.Anm. 12
12. Würzl, Eberhard: Vom Ringstraßenpalais in die innere Emigration, zum 50. Todestag von Alice Pollak-Gurschner, in: Studien zur Wiener Geschichte, Jahrb. d. Ver. f. Geschichte d. Stadt Wien, Bd. 50, hrsg. von F. Opill u. K. Fischer, Selbstverl. d. Ver. f. Geschichte d. Stadt Wien, Wien 1994.

Dem Strauss-Forscher Eberhard Würzl  verdanke ich folgende herrliche Anekdote: „Zu den Pagliacci“ hieß ein Glückshafen beim Augartenfest am 19. und am 20. 5. 1894 “ zum besten der Poliklinik, der Wärmestuben und des Leopoldstädter Volksküchen-Vereines“.
Dort übten sich u. a. Emma und Alice Pollak in Wohltätigkeit. Im Zelt „Zum alten Drahrer“ wirkten „Frau Johann Strauss“ samt Tochter Alice und ihre zukünftigen Ehegatten Wilhelm Marquis de Bayros und Richard Epstein. In diesem Zelt konnte man Handschriften von Johann Strauss, Leoncavallo, Girardi u. v. a. erstehen.
Das umfangreiche Programm und die Zeitungsberichte über das Fest gewähren interessante Einblicke in die damalige Oberschicht der Gesellschaft, in ihre Art, Wohltätigkeit in den Dienst der Eitelkeit zu stellen.

13. "Lieber Pepi", schreibt Johann Strauss am 1. 3. 1892 aus Prag an Josef Simon; "Wie bist Du doch zu beneiden! Ich werde die ganze Componirerei am Nagel hängen - Alles zu Geld machen - und ein Holzgeschäft creiren. Faßdauben verkaufen scheint mir - wenn sie verlangt werden, ein leichter rasch sich abwickelnder Prozeß zu sein als mit Sim.(rock) fertig zu werden. Also Seid umschlungen Millionen Fasseln: der Inhalt den Ihr zu fassen die Aufgabe habet, ist nicht nur fliessender sondern auch gehaltvoller als in den Compositionen." (Wr.Stadt.u.L.-Bib., I.Nr.121.838) Johann Strauss erwartet die Prager Premiere die Aufführung seiner Oper "Ritter Pásmán" und ist über den Berliner Verleger Fritz Simrock (Sim.) verärgert, der für das Notenmaterial einen hohen Preis forderte.

Josef Simon, Bankier, geb. am 23. 2. 1854 in Horschitz (Horsice) in Böhmen, wurde durch die Heirat mit Luise Deutsch (der Schwester von Adele, geb. am 31.7.1860 in Wien, gest. am 15. 7. 1946 in Lugano) ein (angeheirateter) Stiefschwiegersohn von Johann Strauss (vgl. Anm. 4). Zu dem Exlibris für Josef Simon (Abb.5) gibt es im Jahrbuch der Österreichischen Exlibrisgesellschaft Nr.7/1909 folgende Beschreibung:
„Der sonnenumstrahlte Adler, der den Mittelgrund einnimmt, versinnbildlicht, dass Herr Simon durch eigene Kraft emporgestiegen ist. In seinen Krallen hält dieser Adler ein Notenblatt der Universal Edition, deren Präsident (?) Josef Simon ist. Das geflügelte Rad und die beiden Eisenbahnwaggons (sie!) deuten auf seine Funktionen als Vizepräsident der Österreichischen Verkehrs-Anstalt und als Verwaltungsrat der Wiener Lokalbahnen A.G. Die beiden Fässer, welche die Basis der Komposition bilden, erzählen von Simons kaufmännischer Tätigkeit als Paßdaubenhändler in Prag, die seinen Wohlstand begründete. Die Theater-Embleme schließlich, die oben (rechts und links vom Flügelrad) zu sehen sind, erinnern uns daran, daß der vielseitige Mann ein hervorragender Kunstmäzen und Mitbesitzer des Theaters an der Wien ist.“

14. Universal Edition, "Ein guter Anfang: 1901 bis 1907" - Pan-Zeitung Nr.4/1996, Zürich.

Die Präsidentschaft Josef Simons bei der Universal-Edition läßt sich nicht belegen, sicher jedoch ist, daß die Verlagsgründung auf seine Initiative zurückging. Er gehörte dann nach der ersten konstituierenden Generalversammlung am 15. 6. 1901 neben den Verlegern Bernhard Herzmansky, Adolf Robitschek und Josef Weinberger dem Verwaltungsrat der Universal Edition an.

1917 wurde aus Herrn Josef Simon – „Josef Edler von Simon“   

15.Bauer, Anton: 150 Jahre Theater an der Wien, Zürich, Leipzig, Wien 1952.

Mit Kaufvertrag vom 17. 3. 1900 erwarben Josef Simon, Leon Doret und Baron Emil Kubinsky das Theater an der Wien von Alexandrine von Schönerer. Erst am 8. 5. 1924, nach mehr als 24 Jahren, verkaufte Josef Simon seinen Anteil.

Folgende Zeilen aus der spitzen Feder von Marcel Prawy über die Geschäftsverbindung zwischen „Frau Johann Strauss“ und Josef Simon sollen dem Leser nicht von vorenthalten bleiben: „Adeles Stammplatz im Theater an der Wien war die dritte Loge, Parterre, links. Nach der Uraufführung von Franz Lehárs ‚Graf von Luxenburg‘ 1909, stellte sie fest: „Der Mann kann was!“ Allerdings hatte die ‚Walzerwitwe‘ damals durch ihren Schwager Josef Simon als Strohmann mit den Einkünften der Strauss Operetten im Jahre 1900 ein Viertel des Theaters an der Wien gekauft und konnte dort keine Mißerolge brauchen.

Ihre abendfüllend zur Schau getragene tantiemengeschwängerte Liebe durfte sich nun hemmungslos nicht nur über Werke ihres Gatten, sondern auch über die neuen Produkte der silbernen Operettenzeit ergießen. („Seid umschlungen, Millionen!“) So stand der Schatten von Johann Strauss bei dem durch die Komponisten Lehár, Kalman und Leo Fall bewirkten Aufstieg der silbernen Operette im Theater an der Wien zwar nicht künstlerisch, aber doch finanziell im Hintergrund.“ (vgl. Anm. 5).

Durch ihr fanatisches Sendungsbewußtsein und ihre Aktivitäten machte sich Adele nicht immer beliebt, für viele wurde sie „Die lästige Witwe“.

Ischl

16. Maria von Peteani: Es war einmal in Ischl, Artikelserie in den 0.Ö. Nachrichten 1958. (Später in Buchform, im Verlag Trauner in Linz.) Der Autor dieser Arbeit zitiert aus dieser Erzählung um der Zusammenhänge willen und ist sich dessen bewusst, dass möglicherweise nicht alle Begebenheiten verifizierbar sind.

„Man schrieb das Jahr 1893“, erzählt Maria von Peteani, „als mein Fuß das erste Mal Ischler Boden betrat. Johann Strauss und seine Gattin Adele hatten meine Eltern eingeladen, einige Wochen bei ihnen in der Erdödy-Villa zu verbringen.
Ein Photo des Walzerkönigs, „Dem jungen liebenswürdigen Ehepaar Doktor Sauer“ gewidmet, stammt vermutlich aus dieser Zeit (Abb.6). „Von diesem ersten Aufenthalt sind meinem Gedächtnis leider nur traumhaft verwischte Erinnerungen geblieben“

Maria war fünf Jahre alt! „… Auch erinnere ich mich eines Herrn, der nahe der Erdödy-Villa wohnte und manchmal zu Onkel Jean auf Besuch kam. Er hieß Johannes Brahms, hatte einen Apostelbart und trug weite Kleider wie ein Pastor. Während nun Onkel Jean mich in des Wortes wahrster Bedeutung nach Noten verwöhnte, und niemals vergaß, meine Bravheit zu loben, nahm Herr Brahms von meinem Vorhandensein nicht die leiseste Notiz, was ich ihm verübelte.“
„… und erst der Sommer 1897 brachte wieder eine Einladung nach Ischl. Von diesem Aufenthalt weiß ich wesentlich mehr, denn ich ging schon in die dritte Klasse der Übungsschule des Linzer Pädagogiums, nahm Klavierunterricht, und besaß ein Stammbuch…

17. Eine seltene Erwähnung! Marquis de Bayros wurde nicht nur auf seinem von ihm geschaffenen Bild übermalt, sondern Adele hat sicherlich auch sämtlichen Briefverkehr, der ihn betrifft, vernichtet

Sowohl im Wiener Palais in der Igelgasse wie in der Ischler Villa gruppierte sich um Johann und Adele ein Kreis von Freunden, zu denen zahlreiche Sänger der Hofoper und Schauspieler des Burgtheaters gehörten. Der liebenswürdige Pianist Alfred Grünfeld, von dem es hieß, er habe Samtpölsterchen an den Fingerspitzen, der Bildhauer Tilgner, der Maler der Maler Marquis Franz de Bayros, die Komponisten Goldmark, Bittner und Grädener, und viele andere, deren Namen daheim und in der Fremde goldenen Klang besaßen. … Daß sich auch unser oberösterreichischer Landsmann Anton Bruckner ab und zu bei Strauss einfand, dürfte nicht allgemein bekannt sein. Zwar schüchterte ihn die Pracht der ungewohnten Umgebung anfangs ein, doch das gab sich nach dem ersten Glaserl Gumpoldskirchner. Bruckner liebte die Musik des Walzerkönigs ebenso wie die köstlichen, blonden Brathenderln, die eine Spezialität der Strauss’schen Küche waren…

Im Sommer 1903 mietete Josef Simon, der Schwager von Johann Strauss, die geräumige Saarsteiner-Villa Ecke Habsburger- und Brennerstraße. Er kam mit großer Dienerschaft aus Wien und öffnete seine Salons den Größen der Kunst. Josef Kainz war einer seiner häufigsten Gäste, ich habe ihn oft dort erlebt, auch Girardi kam, Leo Slezak, Marie Gutheil-Schoder, Arnold Korff, Harry Waiden, die entzückende Susanne Reinhold-Devrient, die Schwestern Marie und Lily Lehmann (Patenkinder meiner Großmutter Sauer), Professor Horowitz, einer der hervorragendsten Porträtisten der damaligen Zeit, Julius Komgold und noch viele andere, die ich leider nicht persönlich kennen lernen konnte, weil ich nur jenen Einladungen beiwohnen durfte, die am Nachmittag stattfanden. (Fünfzehnjährige wurden um neun Uhr ins Bett geschickt).


Eines Tages nun hieß es, ein neuer Stern werde zum Fünf Uhr Tee erscheinen. Er hieß Franz Lehár, war Militärkapellmeister gewesen, und hatte bereits drei Erfolgsoperetten herausgebracht. „Wiener Frauen“,“Der Göttergatte“ und „“Die Rastelbinder“… Nach dem Tee hielt ich den Augenblick für gekommen, mein Stammbuch zu zücken und es Herrn Lehár zwecks Unterschrift vorzulegen. Er entledigte sich dieser Aufgabe mehr als liebenswürdig. (Abb. 7)“

Hätte man Franz Lehár gesagt, er werde 25 Jahre später dieses kleine Mädchen an sein Krankenlager berufen, damit es seine Biographie schreibe, er hätte hiefür wohl nur ein ungläubiges Lächeln gehabt. „Geliebte Mizzi“

18. In den zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts war die Schutzfrist des Autorenrechtes noch auf 30 Jahre beschränkt. Da Johann Strauss 1899 gestorben war, sollte seine Musik 1929 frei werden. Adele Strauss aber kämpfte für eine Verlängerung der Schutzfrist und erreichte 1929 im Parlament die Verlängerung auf 32 Jahre durch ein Gesetz, das man "Lex Johann Strauss" nannte, obwohl es natürlich auch alle anderen Komponisten betraf. Adele hoffte, innerhalb dieser zwei Jahre eine weitere Verlängerung der Schutzfrist duchkämpfen zu können. Sie starb am 9. März 1930, und die Musik wurde 1931 frei. Die 50jährige Schutzfrist wurde erst 1933 Gesetz und erfaßte nicht mehr rückwirkend die Musik von Johann Strauss (s. Anm 2).

… beginnt eine Postkarte von Adele Strauss an Maria von Peteani, datiert vom 11. 12. 1929, „leider kann ich heute nur in fliegender Eile schreiben, und Dir herzlichst für Deine lieben Worte u. das Buch zu danken, auf dessen Lecture ich mich schon innig freue! Morgen schlägt meine Schicksalsstunde in Form der Schutzfristfrage, die im Parlament zur Verhandlung kommt. Monate lang lebe ich in der größten Aufregung und Arbeit. Alice ist Gott sei Dank glücklich und zufrieden! Vielleicht kannst Du doch einmal nach Wien kommen, wenn Du eine Vertretung bei Mama findest. Umarme sie, für mich, u. sei auch Du umarmt von der alten, aber getreuen Tante Adele.“(Abb. 8).


Der in allen Fällen sehr persönlich gehaltene Inhalt dieser Schreiben bezieht sich fast immer auf die neuesten Publikationen von M. v. Peteani. Mutter und Tochter loben ihre Werke auf das höchste. Alice meint sogar: „… es ist wohl psychologiert (!), das reifste und feinste, was Du bis jetzt geschrieben hast, und Du bewegst dich auf dem Wege großer Vollkommenheit.“ Die sicherlich interessanteste Erwähnung in der aufgefundenen Korrespondenz betrifft die Autorenschutzfrage in der vorher zitierten Postkarte (vgl. Anm. 18).
Bereits am Beginn meiner Recherchen vermutete ich eine verwandtschaftliche Beziehung zwischen M. v. Peteani und der Familie Strauss. Hinweise aus oberösterreichischen Zeitungsartikeln und auch aus dem Biographischen Lexikon von Oberösterreich waren bereits eindeutiger. Erst die Eintragung der Hochzeit von Josef Simon mit Luise Deutsch im Matrikelarchiv der Wiener Kultusgemeinde löste diesen Gordischen Knoten. Josef Simons Eltern, Salomon Simon aus Horice, geb. 1816, Sophie, geb. Mandelbaum aus Horice, geb. 1830, sind auch die Großeltem mütterlicherseits von Maria von Peteani. Josef Simon war also der Onkel von Maria von Peteani.
Im Peteani-Nachlaß im Stadtarchiv Linz sind vorhanden: zwei Postkarten und drei Briefe von Adele und eine Postkarte von Alice Epstein, vier Briefe von Dr. Hans Epstein-Strauss, fünf Briefentwürfe an ihn, und ein Brief an Frau Oscar Straus

So bruchstückhaft und unvollständig der Nachlaß von Maria v. Peteani leider ist, kann hier doch auch ein interessanter Fund das erste Mal vorgestellt werden: Der Reisepaß Johann Strauss für seine letzte, gemeinsam mit Gattin Adele gemachte Rußlandreise im Jahre 1886 (Abb. 9). Er folgte einer Einladung der unter dem Protektorate der Zarin stehenden „Gesellschaft zum rothen Kreuze“, in St.Petersburg mehrere Konzerte zu dirigieren. Nach enthusiastisch gefeierten Konzerten in St.Petersburg gab der Walzerkönig noch drei Konzerte in Moskau und eines in Pawlowsk (in der Nähe von St.Petersburg).

Der im Namen seiner Majestät Franz Josef I. ausgestellte Paß für Herrn Johann Strauss, Hofball-Musik-Direktor, wurde am 30. März 1886 für die Zeit von drei Jahren Gültigkeit bestimmt.
„Mit diesem reiset: Frau Adele Strauss dessen Ehegattin 1853 geboren. (In der Russischen Einreisebewilligung) Nr. 7865 gemeldet dem Kaiserlich russischen Konsulat zur Abreise nach Rußland. Wien 22. März 1886, 3. April 1886“.

Wieso wurden vom russischen Generalkonsul hier zwei verschiedene Ausstellungsdaten angegeben? Das Rätsel ist schnell gelöst: Im russischen Kaiserreich wurde noch bis zur Oktoberrevolution nach dem Julianischen Kalender gerechnet! Dieser ging unserem Gregorianischen Kalender um 12 Tage nach. Diese Datumsdifferenz wurde auch von den Brüdern Strauss einmal übersehen. Sie bestellten im Jahre 1869 die Musiker um zwei Wochen zu früh nach Pawlowsk, und Johann Strauss hatte die Kosten zu tragen. Mit 6. April datiert die Eintragung für den St.Petersburger Aufenthalt. Familie Strauss hat in der Michailow-Straße gewohnt.
Die Moskauer Aufenthaltsbewilligung der zuständigen Bezirkspolizeibehörde (datiert mit 26. April 1886) hat folgenden Text: „… dem österreichischen Untertanen Johann Strauss mit Frau Adele ist der Aufenthalt in Rußland bis Oktober 1886 gestattet, für längeren Aufenthalt ist ein Paß für den Aufenthalt ausländischer Personen im russischen Kaiserreich anzufordern“.
Der Künstler wohnte mit seiner Gattin im Hotel Dussaux. Die nächste Eintragung vom 20. Mai 1886 stammt wieder von einer Bezirkspolizeibehörde in St.Petersburg.; Familie Strauss logierte diesmal am Newsky-Prospekt Nr. 58.

Dem Paß beigelegt, vermutlich von Maria v. Peteani, ist eine Eintrittskarte mit folgendem Text: „Eintrittskarte zur Leichenfeier des Johann Strauss, Evangelische Kirche A.C., I. Dorotheergasse 18“.

Von Emil Pirchan, Exlibris für Oskar Reichsritter Peteani von Steinberg Kapitän a.D. München 1909 94×27, nach rechts sprengender Ritter in voller Rüstung mit dem geteiltem Wappenschilde der Peteanie im oberen Feld ein einköpfiger Adler, im unteren ein Turm mit zwei Zinnen. Auf der Pferdedecke wiederholt sich das Wappen drei Mal. DEG 1913, S. 137, keine Abbildung.

Lehár

19. O.Ö.Nachrichten, 1.2.1958, "Wie Mizzi Sauer zu Maria von Peania wurde", von Herbert Lange.
20. Einsehbar ebenfalls im Stadtarchiv Linz.

45 Jahre nach Franz Lehárs Tagebucheintragung für das Frälein Mizzi Sauer, ruft der Komponist 1947 aus Zürich an und fragt, ob sie nicht seine Biographie schreiben wolle. Sie ist begeistert, und ein reger Briefwechsel zwischen beiden beginnt. Schließlich ruft Lehár sie an sein Krankenbett in seiner Ischler Villa. Leider ist ihm nicht mehr vergönnt, das Erscheinen seiner Biographie zu erleben. Lehár stirbt am 24.10.1948 in seinem geliebten Ischl.

Franz Lehár, Seine Musik – Sein Leben
erschien erst 1950 in dem von ihm gegründeten Glocken-Verlag. Die bisher unbekannte Korrespondenz zwischen Lehár und Maria v. Peteani zeigt deutlich, wie sehr Lehár auf Details eingegangen ist. Es war ihm ein Anliegen, daß sein Leben und sein Lebenswerkt durch eine Person seines Vertrauens niedergeschrieben wurde.

Abb.10: Gruppenphoto, von links nach rechts: Kammersängerin Ester Rethy, Kammersänger Marcel Wittrich, Maria von Peteani, Franz Lehár, Jetty Topitz-Feiler, Stadtarchiv Linz

Dieser Aufsatz kann seiner Kürze wegen natürlich nur ein unvollständiges Bild von Maria von Peteani zeichnen. Eine Aufarbeitung seitens der Johann Strauß-Gesellschaft steht aber sicherlich noch bevor.  

Peter Rath